Ölskizze auf Leinwand, 1922
                                                 Die Schatz-Truhe Teil 2
                     Fortsetzung des Berichts von Michael Gnade:  Lotte Hörmann-Siller (1895 - 1971)

 

 

           Öffentlichkeitsarbeit

         Vor allem mußten die Zeichnungen und Bilder fixiert und mit neuen Passepartouts und Rahmen versehen werden. Reproduktionen wurden angefertigt, die vielversprechende Reaktionen auslösten bei Galeristen, auf Kunstmärkten, Presseredakteuren und dem Museumsdirektor der „Villa Zanders“ in Bergisch Gladbach. Ihm wurden die gerahmten Originale im Atelier präsentiert.

         An einem schönen Tag im Mai 2000 fährt die Mitarbeiterin an diesem Projekt, die Künstlerin Dina Savi, mit zum "Von der Heydt-Museum" nach Wuppertal. Die Direktorin möchte sogleich zwei Originale geschenkt bekommen. Zu Besuch bei Lottes Verwandten in Barmen, "Obere Lichtenplatzer Straße", erfahren wir, daß Lotte von 1910 bis 1922, neben dem elterlichen Wohnsitz in der "Hohenstaufenstraße", auch die großmütterliche Villa an der "Adolf-Vorwerk-Straße" am Toelleturm bewohnte. Sie war Treffpunkt aller Sillerscher Anverwandten zu Festlichkeiten und gemeinsamer Bildbetrachtung im- und expressionistischer Originale, deren Einfluß in einigen Bildern von Lotte Siller aus der Zeit von 1918 bis 1924 erkennbar ist. - Lottes Onkel, der Kunstliebhaber Walter Siller, verheiratet mit Mathilde Weskott aus der Mitbegründerfamilie der Bayerwerke (Johann Friedrich Weskott), kaufte nach seiner Auszahlung diese Bilder. Dabei wurde er künstlerisch beraten von dem Direktor des "Von der Heydt-Museums" (1902 – 1929), Friedrich Fries.

 
                                                   April 23.

Oh, diesen Tag hat mir das Herz gebrannt,
und seine Glut verlöschet nicht in mir.
Urweiten webt der Sturm,
die Frühlingsfelder wogen,
und großer Himmel wolkenüberspannt
darüber steht.
Urmensch lebt in mir.
Schauer der Sehnsüchte überrennen
mein Blut,
         hinaus, oh hinaus.
Die Macht der Heimatlosigkeit hat mein Herz
weit gemacht und alle Türen sind offen.

 


Frühling 1920, Pastell, 20 x 30 cm

 
        Weiterhin wird uns gesagt, daß Lotte schon ab ihrem 12. Lebensjahr nach Italien, Kassel, Bremen, Frankfurt reiste, in den Schwarzwald und zur Schweiz.

      In Dachau und München nahm sie Zeichen- und Malunterricht. Ab 1916 arbeitete sie, mit Unterbrechungen, drei Jahre im Berliner Sozialdienst, wobei die Menschenstudien entstanden.
 

 

 
 








"Brücke von Cernobbio",
Kohlezeichnung 20 x 30, 1910,
älteste erhaltene Zeichnung
von Lotte Siller.


Berlin, 15. November 1920

"Und doch,
sind manchmal nicht
Mit-Leidens warme Wellen und
eignem Menschentumes Gotteskraft,
sind manchmal sie nicht zarte
Silberbrücken, drauf Menschenseelen zueinander wandeln?"




Arbeiterin in Berlin, 1917, Kohle, 20 x 30

 

           Nach diesem Ausflug in die Kunst- und Lebensgeschichte lockt die Seelen-Landschaft Lottes. Am Toelleturm, nahe der großmütterlichen Villa, die derzeit von einem Bildhauer genutzt wird, liegt "vor der Haustür ihrer Kindheit" die auch heute noch "Scharpenacken" genannte Landschaft (jetzt Militärterrain) in großartiger Weite und Tiefe, mit Wegen zu fernblauen Hügelketten, am hohen Himmel vereinzelt weiße Wolken. Ihre Kinderseele muß über viele Jahre bei solchem Anblick sich gebildet haben, wie die unsrige in diesem Augenblick: In Dutzenden von Bildern und Zeichnungen hat sie diese Eindrücke verarbeitet, wie auch in zahlreichen Gedichten, wovon das folgende, 1921 während eines Heimataufenthaltes verfaßt, die ihr Leben umspannende Inspirationsquelle  unmittelbar ausspricht,  "Scharpenacken (Heimatweg)" benannt:

 
 

Hoch schlagen die Wogen meines Herzens, o Erde; ich schreite in Demut und Freude!
Meine Pulse pochen das letzte Rot deiner Sonne.
Klare Schalen trag ich erhobenen Armes deiner Schönheit, o Erde!
Ein Gedicht ist mein Atem, es schwingen die Sinne zum Bogen sich auf im Schwung deiner Erde.
Und siehe, auch ich werde zum Ding deiner Gnade und löse mich ganz in Geschehen und Wachsen.




Halde in Abenddämmerung, 1922, Öl auf Leinwand 50 x 60 cm

 

 

           Wie einst erinnert das maifrische, schon recht hohe Gras ans "Lottekind", wie sie noch in ehrwürdigem Alter von Freunden brieflich angeredet wurde. Hier mag sie als Kind oft gelegen haben, neben weitausladenden Sträuchern, unter blühenden Bäumen, bei dem Summen der Bienen zwischen Blumen und sprießenden Halmen: Schneeweiße, in bizarren Gebilden sich wandelnde Wolken hoch oben am azurblauen Himmel - im Jahr 1916 wie heute für uns:
         

 

 



Hörmann-Siller
malte und zeichnete
zeitlebens vor der Natur.

"Und versinkt die Sonne
vor meinem Blick,
In meinem Herzen noch
leuchtet's zurück."




           Still lieg ich in der Sonne, und trage froh mein Glück,
         Keine laute Freude ist's, die mein Herz entzückt.
         Ist nur der Bäume Rauschen, der Berge fernstes Blau,
         Der Sonne lichtes Glänzen, was ich liebend schau.
         Es ist das tiefe Fühlen des Eins-Sein und der Ruh,
         Was am allerschönsten Natur gibst ja nur du.

 

 

         Aus dem Erlebnis des geistig-seelischen Wirkens dieser Frau, durch die Natur, entspringt die Idee zu einem Buch, das ihre Lyrik, Zeichnungen und Bilder als Einheit erfaßt,- getreu der Losung der letzten Strophe eines Gedichts vom 6. Juli 1919:

Und doch, die Sehnsucht bleibt die größte Qual,
Die reinste Form zu finden meinem Ideal.
Und unserem letzten, tiefsten Sein zu geben
Ein kräftig bildhaft und gestaltend Leben.
 


         Aber nach einem Jahr kontinuierlicher Arbeit daran stellt sich heraus, daß mit nur einem Band ihr umfangreiches Werk nicht  zu dokumentieren ist. Drei Bände müßten es sein, die im Herbst 2002 als gebundene Musterexemplare vorliegen sollten:

 

 

 

Seelen - Lust


LOTTE HÖRMANN - SILLER


SEELEN - LUST

Lyrisches Tagebuch
Gemälde und Zeichnungen
der Malerin und Dichterin
I
Herausgegeben von
MICHAEL GNADE


Zwischen Erde und Himmel


LOTTE HÖRMANN - SILLER


ZWISCHEN ERDE UND HIMMEL

Lyrisches Tagebuch
Gemälde und Zeichnungen
der Malerin und Dichterin
II

Herausgegeben von
MICHAEL GNADE


Allein Gott zum Ruhme


LOTTE HÖRMANN - SILLER


ALLEIN GOTT ZUM RUHME

Lyrisches Tagebuch
Gemälde und Zeichnungen
der Malerin und Dichterin
III
Herausgegeben von
MICHAEL GNADE

 


Die Schatz-Truhe


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